Stark aus der Mitte
von Dr. Eva-Maria Hoffmann-Gombotz
Der Darm als „Zentrum der Gesundheit“
Seit die Sorgen um unsere Abwehrkräfte unseren Alltag bestimmen, der Fokus des allgemeinen Interesses immer mehr auf dem Immunsystem liegt, hat der stiefkindlich behandelte Darm plötzlich an Sympathien gewonnen. Der kann nämlich viel mehr als nur einfältig unsere Nahrung zu verdauen. Der beherrscht es wie kein anderer, unser Wohlbefinden zu lenken, unsere Stimmung positiv zu beeinflussen und – ja, auch das kann er – unsere Immunabwehr zu stärken.
Um sein Geheimnis zu entschlüsseln, müssen wir tief in sein Innerstes hineinzoomen. Dort treffen wir – im Idealfall – Billionen von Bakterien. Früher als Darmflora bezeichnet, kennen wir diese
nun als intestinales Mikrobiom. Dicht an dicht gepackt bilden sie einen wichtigen Teil der Darmbarriere. Die schützt das darm-assoziierte Immunsystem davor, alles, was wir in unseren Mund
hineinstecken, ungefiltert abzubekommen. Da würde unser Immunsystem überreagieren.
Würden wir unseren Darm auspacken und glattstreichen, so hätte dieser eine Fläche von 400 Quadratmeter - auf die es sich lohnt, gut acht zu geben. Ist es doch keineswegs so, dass das was im
Darm passiert, dortbleibt und vom Rest des Körpers nicht registriert wird.
Darf ich vorstellen: Die Bauch-Hirn-Achse
Der Darm und unser Gehirn stehen permanent miteinander im Austausch. Das Gehirn weiß ganz genau, wann es an der Zeit ist, ein Hungersignal auszusenden, aber auch, den Appetit zu drosseln, weil
wir gerade krank sind und unsere Energie anderwärtig benötigen.
Als Standleitung, um die Signale zwischen Darm und Gehirn hin und herzuleiten, fungiert der Nervus vagus. Der 10. Gehirnnerv. In der Wissenschaft sprechen wir hier von der Bauch-Hirn-Achse.
Blicken wir auf die lange Liste der darmassoziierten Erkrankungen, vom Blähbauch bis zur Zöliakie, dann wissen wir, dass der Darm nur in den seltensten Fällen ein unauffälliger, stiller Begleiter
ist. Bei vielen Menschen steht er im Zentrum der Aufmerksamkeit: Weil sie ihre Nahrung nicht mehr vertragen, weil sie einen Wechsel zwischen Durchfällen und Verstopfung erleben oder weil sie
Schmerzen haben, aus medizinisch unerklärlichen Gründen.
Schuld daran ist unser moderner Lebensstil, Stress, Trauma, ist der permanente Leistungsdruck, die andauernde Spannung, unter der wir stehen. Andauernd nehmen wir Information von außen auf
(E-Mails, schlechte Nachrichten, Umweltgifte, Fertignahrung…), viel mehr, als wir jemals in der Lage sind zu verdauen. Uns stockt der Atem. Unser Nervensystem wechselt in den Fluchtmodus. Der
Darm wird schlecht durchblutet, mangelversorgt und wir winden uns mit Bauchkrämpfen auf der Couch.
Dieser Lebensstil zerstört die wichtige Bakterienflora in unserem Darm. Es breiten sich Entzündungen aus. Der Darm wird löchrig, kann seiner Barrierefunktion nicht mehr gerecht werden. Der
Vagusnerv sendet Störsignale ins Gehirn. Krankheiten, wie das Reizdarmsyndrom, Chronisch Entzündliche Darmerkrankungen, Hämorriden, aber auch Migräne breiten sich aus.
Und da kommt Yoga für den Darm ins Spiel. Ein besonders achtsames und ruhiges Yoga. Eine Praxis, die unsere Faszien befeuchtet, uns durchlässiger werden lässt. Körperübungen, die uns bewusst
erden. Dem überreagierenden Nervensystem mit ruhiger Stimme zuflüstern: „Du bist in Sicherheit!“
Yoga regt den Lymphfluss an und unterstützt damit den Abtransport von Schadstoffen. Mit gezielten Körper- und Atemübungen gelingt es, die Verbindung mit dem eigenen Körper wieder
herzustellen. Hinzuhören. Spüren.
Es geht um die Ausrichtung, hin zur eigenen Mitte. Der Bauch-Hirn-Achse.
Die Zwerchfellatmung massiert die Bauchorgane. Der Ujjayi-Atem stimuliert den Vagusnerv. Es entsteht das Gefühl der Sicherheit. Erst jetzt erleben wir einen Zustand von Entspannung.
Kombiniert mit Mudras, Mantras und Meditation kann eine ganz besondere Tiefe der Yogapraxis erfahren werden.
Yoga für den Darm ist damit zu einem großen Anteil Yoga für die Seele. Yoga für das Verständnis der eigenen Ängste und Sorgen.
Yoga, um in unserer modernen Welt besser und gesünder zurechtzukommen.
Und eine Praxis, die uns Stück für Stück erlaubt, unser Erlebtes besser zu verdauen.
Dr. Eva Maria Hoffmann-Gombotz ist promovierte Mikrobiologin, zertifizierte Yogalehrerin und Kommunikationstrainerin. Sie hat viele Jahre in der Darmkrebsforschung verbracht, lebt aber seit 2013 für die Darmgesundheit. In Österreich, Deutschland und der Schweiz hält sie Vorträge rund um den Darm, Ernährung und Frauengesundheit. Eva unterrichtet Business-Yoga, betreibt ein Online-Yoga-Studio (Kakini-Yoga), hat einen Podcast (Mittel-Punkt) und liest alles, was sie in die Finger bekommt. Am liebsten aber Kochbücher. Sie redet gerne, lacht viel und mag Menschen einfach lieber als Bakterien.
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