Auswirkungen des Sitzens und wie Yoga uns helfen kann.
Der Europäer sitzt im Durchschnitt 12 Stunden täglich - beim Essen, im Auto oder Bus, im Büro, beim Fernsehen, imGespräch mit Menschen oder über das Handy gebeugt. Die Weltgesundheitsorganisation stuft zu viel Sitzen heute weltweit als viertgrößte der vermeidbaren Todesursachen ein.
Laut einer 2008 veröffentlichten Studie verringert jede Fernsehstunde die Lebenserwartung um 21 Minuten, das Rauchen einer Zigarette um elf Minuten. Experten sagen demnach, dass Sitzen sogar gefährlicher ist als Rauchen. "Wir sitzen uns tot" oder "Wer länger sitzt, ist früher tot" sind zwar reißerische Schlagzeilen von Gesundheitsmagazinen, aber sie sollen wachrütteln.
Gestützt von zahlreichen Forschungsarbeiten warnen Ärzte, dass schon zwei Stunden Sitzen am Stück die Risiken für Herzerkrankungen, Diabetes, Krebs, Rücken - und Nackenschmerzen und andere orthopädische Probleme erhöht. Sitzen fördert auch Depressionen und andere psychische Probleme, da durch die flache Atmung und die nach vorne gekippten Schultern der Geist dazu neigt, antriebslos, negativ und müde zu werden.
Dazu zeigen die Untersuchungen, dass sich die Folgen langfristigen Sitzens auch nicht durch Sport oder Yoga beseitigen lassen. Diese Bemühungen schmälern zwar die Auswirkungen, doch der Körper schaltet auch bei sportlich aktiven Menschen durch zu viel Sitzen im Alltag auf Dysfunktion.
Der sitzende Büromensch erleidet mehr orthopädische Verletzungen als die Arbeiter aller anderen industriellen Bereiche. Daraus schließen die Forscher, dass Sitzen das gleiche Gesundheitsrisiko darstellt, wie das Heben schwerer Lasten.
Der Mensch ist dafür gebaut, sich zu bewegen. Von dieser wichtigen Tatsache hängen unsere Körperfunktionen ab. Die Evolution konnte die Erfindung des Stuhls nicht vorhersehen. Als Homo sapiens war der Mensch immer in Bewegung, musste laufen, sei es, auf der Flucht vor wilden Tieren, oder um sein Essen zu jagen. Mit dem Auto und der Schreibtisch-Stuhl Kombination war das Schicksal als sitzende Kreatur schnell besiegelt.
Wenn wir über längere Zeit sitzen, schalten die Muskeln der unteren Körperregionen buchstäblich ab. Muskeln, die den Rumpf und die Wirbelsäule stabilisieren, werden inaktiv. Das Ergebnis sind geschwächte Körperfunktionen im Rücken- und Halsbereich, Karpaltunnelsyndrom, Beckenbodendysfunktionen und Verspannungen des Kniegelenks. Daraus können organische Erkrankungen entstehen, vor allem Herz-Kreislaufstörungen, Verstopfung, Kopfweh und viele andere.
Das Problem am Sitzen ist, dass es so natürlich erscheint und harmlos wirkt. Unser Körper biegt sich mit Leichtigkeit in die sitzende Form, wie könnte es also schlecht sein? Bei kurzem Sitzpensum wäre das auch kein Problem - aber leider sitzen wir zu lange am Stück.
Im Alltag ist es deshalb am wichtigsten, immer wieder die Position zu wechseln: Aufstehen, auch mal im Stehen arbeiten oder sogar auf dem Boden sitzen. Ich staune auf meiner Indienreise, dass alle in der Hocke sitzen ohne Stuhl - stundenlang. Die Hocke für die natürliche Toilette ohne "Thron" wird mittlerweile beworben seit dem Bestseller "Darm mit Charme". Ein Schemel unter den Füßen unterstützt die Darmentleerung.
Statt einer Doppel-S-Form bildet die Wirbelsäule im Sitzen einen starken Rundrücken mit Kompression der Bandscheiben und eine Verkürzung der Nackenmuskulatur. Um die Neutralstellung der Wirbelsäule zu erreichen, sollte man zuerst an der Beckenaufrichtung arbeiten mit Beckenkippübungen (Schambein Richtung Bauchnabel und zurück) und Hüftöffnungen. Vor allem die Dehnung des Hüftbeugers, des Iliopsoas, zum Beispiel in der Sprinterstellung, ist sehr wichtig.
Danach Asanas, die ein Anheben des Brustbeins unterstützen (Schulterbrücke, Krieger, Fisch, machtvolle Haltung,..) und die Rumpfmuskulatur kräftigen (Tiger, Boot, Stützstellungen,...). Für den Nacken sind leichte Nick- und Neinbewegungen sehr gut sowie Dehnungen (z.B. Ohr zur Schulter ziehen).
Asanas, welche die Sitzhaltung verstärken würden wie vorbeugen, sollten nur dann durchgeführt werden, wenn vorher die Rumpfmuskulatur zuvor ausreichend gekräftigt wurde. Vorwärtsbeugen sollten auch nicht zu lange gehalten werden, so wie es oft beim Yin-Yoga praktiziert wird. Halte die Stellung immer mit einer guten Dehnspannung, sinke nie ohne Spannung hinein, sondern strebe immer nach Aufrichtung und Länge.
Der klassische Schulterstand und Pflug sollten vermieden werden, weil sich im oberen Kopfgelenk Ablagerungen in Gefäßen bilden könnten, die sich lösen und zu Schlaganfällen oder kognitiven Belastungen führen können. Der halbe Schulterstand hat die gleichen Wirkungen - ohne "unangenehme Nebenwirkungen".
Drehstellungen sollten eher in aufrechter Position durchgeführt werden (z.B. wird der Drehsitz besser im Fersensitz oder im Kniestand durchgeführt).
Da Bandscheibenvorfälle zumeist bei Dreh-Bückbewegungen passieren, sollte bei der Asana Praxis vor allem auf die richtige Ausführung geachtet werden. Beim Beugen des Oberkörpers nicht die Beine gestreckt lassen, sondern die Knie beugen. Genauso wie beim Nachobenkommen.
Im täglichen Leben können wir alltagstaugliche Asanas einsetzen wie z.B. die "Zahnputzasana", sprich die machtvolle Haltung beim Zähneputzen, statt mit rundem Rücken über das Waschbecken zu stehen. Oder beim Auto am Lenkrad mit beiden Händen den Zug ausüben und das Brustbein nach vorne oben ziehen. Oder beim Geschirrspüler Ausräumen immer das Knie beugen. Baue das Räkeln, das Strecken und das öffnen der Arme als aktive Pausen in deinen Alltag ein.
Im Sitzen beträgt das Einatmenvolumen etwa 0,5 Liter. Das eingesetze Atemvolumen sollte möglichst auf ein Mehrfaches davon gesteigert werden. Dazu eignet sich hervorragend die Wechselatmung durch die Nase.
Langes Ausatmen ist sehr wichtig für die Spannkraft der tiefen Rumpfmuskulatur, entspannt den Geist und verbessert den Stoffwechsel. Der Blutdruck und das vegetative Nervensystem werden reguliert.
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