Asanas sind, verglichen mit dynamischen Körperübungen, einfache Techniken. Durch diese Einfachheit vermag der sich öffnende Geist tiefer in die Körperwahrnehmung zu dringen und die wahren Schätze der Asana zu heben. Um die volle Wirksamkeit der Asanas zu entfalten, sollten bei der Asana-Praxis die folgenden grundlegenden Dinge beachtet werden:
Die Durchführung der meisten Asanas (wir betrachten hier nur die statisch gehaltenen Asanas, nicht Asana-Flows) kann in 6 Phasen unterteilt werden, welche in ihrer Gesamtheit die Übung ausmachen und erst gemeinsam ihre Wirkung voll entfalten:
Zumeist in der Ausgangsstellung, aus der die Asana aufgebaut wird, findet das Einstimmen und inneren Bereitwerden für die Übung statt. Nimm die Asana und ihre äußere und innere Qualität innerlich vorweg.
Mit ruhigen, bewussten und kontrollierten Bewegungen, die schon den meditativen Geist der Asana in sich tragen, wird die Asana aufgebaut. Zusätzlich zum meditativen Aspekt hilft die Achtsamkeit in dieser Phase, die Gefahr von Verletzungen weitgehend auszuschalten.
Das bewegungslose und bewusste Halten der Asana ist das zentrale Element der Übung. Hier können wir uns, je nach Fortgeschrittenheitsgrad, auf einen der folgenden Aspekte konzentrieren: Die Körperstellung, die Entspannung der zum Halten der Stellung nicht benötigten Muskeln, die Atmung sowie auf bestimmte meditative Elemente wie Affirmationen, Mantras oder Chakras. Meist ist es sinnvoll, mit geschlossenen Augen zu üben.
Ebenso ruhig, kontrolliert und bewusst, wie sie eingenommen wurde, wird die Stellung wieder verlassen, während man innerlich die entspannte, empfangende Grundhaltung beibehält.
In den meisten Hauptstellungen wird nach dem Verlassen der Asana eine Gegenstellung eingenommen, bevor man in die Nachspürphase eintritt. Die Gegenstellung gibt dem Körper einen sanften Ausgleich zu der oft intensiven vorangegangenen Dehnung oder Beugung. Die Gegenstellungen zu den wichtigsten Haupt-Asanas sind:
Hauptstellung | Gegenstellung |
Kopfstand | Fersensitz |
Schulterstand, Pflug | Fisch |
Vorwärtsbeuge im Sitzen | Schiefe Ebene, Tisch |
Rückwärtsbeuger aus Bauchlage od. Kniestand | Stellung des Kindes |
Rückwärtsbeuger aus Rückenlage | Beine in Rückenlage heranziehen, ev. Rückenschaukel |
In dieser Phase wird durch bewusste, tiefe Entspannung ein Sich-Öffnen den Wirkungen der Asana erreicht, was den Effekt der Übung wesentlich ergänzt und vertieft. Je nach Dauer und Intensität der Stellung dauert diese Nachspürphase etwa zwischen 20 und 35% der Haltedauer der vorangegangenen Asana bzw. Asana-Gruppe. Zugleich wird der Körper bereit für die nächste Übung und damit geht diese 5. Phase, eventuell mit einem ruhigen und achtsamen Wechsel der Körperstellung, in die 1. Phase der nächsten Übung über.
Wir können Asanas als Meditation des Körpers bezeichnen. Meditation als ein Verlassen der körperlichen Ebene, um in die Tiefe des Selbst zu tauchen, kann nur entstehen, wenn der Körper in vollständiger Stille verharrt. Dieses vollständige Stillhalten bezieht sich auf die Wirbelsäule, die Extremitäten und den Kopf, aber auch die Atmung wird eine sanfte Veränderung erfahren.
Strebe beim Üben eine vollständige Stillhaltung des Körpers an, die die Tore zu einem Erfahren der vollen Segnungen der Asanas öffnet.
Nur eine geöffnete Hand kann eine Gabe empfangen. Ebenso ist es eben jene Haltung der Öffnung, das entspannten Annehmens, die uns für die Kraft der Asanas öffnet:
Wir wollen nichts tun, nichts erreichen, nichts bewirken, nur Gottes Kraft und Liebe in uns einströmen lassen. Die innere Haltung des Sukham bewirkt dies. Lasse alles Suchen und Mühen los und fühle, wie etwas in dich einströmt – eine Gnade, eine Kraft, die den eigentlichen Segen der Asanas ausmacht. Sukham heißt Leichtigkeit, Freude, Loslassen, Entspanntheit, doch eine Entspannung, die tiefer reicht als rein muskuläres Loslassen, denn außer den Entspannungsstellungen erfordern alle Asanas Anspannung bestimmter Muskeln.
Trachte also beispielsweise auch in der Kobra, im Dreieck und im Sonnengebet nach einer inneren Öffnung, einem inneren Loslassen!
Beim Asana-Üben sollten sich die Gedanken nicht zu allen möglichen Dingen bewegen, sondern in einer stillen, wachen Achtsamkeit auf die Wahrnehmungen des Augenblicks fokussiert sein.
Dies werden zunächst die körperlichen Empfindungen sein, die Anspannung bestimmter Muskeln, die Kompression von Organen im Rhythmus der Atmung, die Atmung selbst, aber allmählich mag sich die Achtsamkeit auf tiefere Bereiche erstrecken; Bilder, die aus dem Inneren auftauchen, vielleicht Ideen, Erinnerungen, aber auch Bilder, die als Visualisierung die Qualität und die Wirkung der Asanas unterstützen.
Lasse dein gesamtes Wesen vollständig in den Augenblick des Übens eintauchen, wie mit einem großen Auge alle Empfindungen dieses Augenblicks wahrnehmen.
Die Atmung verbindet Körper und Geist, die Atmung hat im Hatha Yoga eine Schlüsselposition inne. Dies einerseits durch die Pranayamas, aber auch in den Asanas können wir durch bewusste Atmung tiefere Ebenen der Wahrnehmung betreten. Versuche, durch ein langsames und entspanntes Atmen in die Erfahrung eines Strömens, eines Dich-Öffnens für dieses Strömen einzutreten.
Dies mag vor allem bei jenen Übungen schwierig sein, bei denen die Atmung durch die Stellung der Körperteile eingeschränkt ist (z.B. Vorwärtsbeuge, Drehsitz), aber gerade hier offenbart uns das Gefühl bzw. das Suggerieren eines freien und leichten Atems die bestmöglichen Resultate.
Bei allen asymmetrischen Stellungen (Dreieck, Drehsitz, Baum ...) ist darauf zu achten, dass beide Seiten gleich lang geübt werden.
In vielen Stellungen kann die folgende Visualisierung helfen, die Asana zu stabilisieren und zu kontrollieren sowie innere Kraft zu mobilisieren: Stelle dir vor, dass ein Faden in der Mitte deines Brustbeins (Sternum) befestigt ist und sanft nach vorne-oben gezogen wird. Dies hilft etwa im Drehsitz für die Aufrichtung des Körpers, in der Kobra und den Stellungen 2 und 4 des Surya Namaskar für ein weiteres Öffnen in Anahata-Chakra sowie in der Vorwärtsbeuge für den Schutz der Lendenwirbelsäule.
Das bewusste Anspannen bestimmter Muskelpartien schützt unsere Gelenke und Bandscheiben. So soll der Körper beim Einnehmen der Stellung unter einer mäßigen Grundspannung gehalten werden, welche, je nach Stellung, dann in der Asana entweder beibehalten oder sanft gelöst wird. Beim Verlassen der Asana sollte die betreffende Muskulatur vor Beginn der Bewegung in jenen Tonus versetzt werden, der ein sicheres und kontrolliertes Aus-der Stellung-Kommen gewährleistet.
Auszug aus "Ganzheitlicher Yoga" von Arjuna P. Nathschläger
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